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CareNomadInnen - Transnationale Sorgearbeit (Video / Booklet / Kunstbuch)
Video-Arbeit über die ewigen Reisen der PflegerInnen, über Ihre Gespräche in den Transportmitteln, ihre Ruhepole, Sorgen und Humor.
Broschüre mit Beiträgen von: Miloslav Bahna, Christine Braunersreuther, Simona Ďurišová, Sibylle Hamann (angefragt), Michal Hvorecký, Martin Leidenfrost, Martin Plattner und hoffentlich noch anderen.
Eine Videoskizze: https://youtu.be/WydlnO-z0Ho
Bad Radkersburg, 26.9. 2020 um 18:30, Pavel Haus - Hilfslinien
hoast, Große Sperlgasse 25, 1020 Wien (Termin wird noch bekannt gegeben)
„Den Arbeitsvertrag kannst du als Toilettenpapier benutzen!“
Beobachtung der Entstehung einer Arbeit von Katarina Csanyiova
Wir fahren durch einen Tunnel, die Kamera nach außen gerichtet. Es ist Nacht oder früher Morgen. Die Straßenbeleuchtung. Fragmente der Ausstattung eines Kleinbusses auf der Fahrt. Ein gelblich grauer Himmel. Die Kamera ruckelt. Wir, das sind die Zuseher_innen, Beobachter_innen, ich eine davon, die in sicherer Distanz vom eigenen Schreibtisch aus auf den Weg, die Wege blicken, die slowakische Pfleger_innen von ihrem Zuhause in der Slowakei bis zum Pflegehaushalt in Österreich zurücklegen. Sie arbeiten u.a. für die Caritas oder das Hilfswerk und fahren alle paar Wochen hin und her. Die meisten sind Frauen*, wir hören ihre Stimmen in slowakischer Sprache und lesen die deutschen Untertitel, die uns von den deregulierten und ungesicherten Arbeitsbedingungen erzählen. „Für 1 Jahr Arbeit bekomme ich 10 Euro Pension!“ lacht eine der Pfleger_innen im Off.
Politik der Un_sichtbarkeit
Wenn wir die Frauen* sehen, sprechen sie nicht. Sie erholen sich auf der Fahrt, schauen aus dem Fenster. Sie benutzen ihr Mobiltelefon, blättern in einem Magazin. Auf dem Parkplatz einer Raststätte vertreten sie sich in der Pause die Beine. „Habe ich alle meine Damen?“ fragt der Fahrer und es geht weiter. Wenn die Frauen* sprechen, sehen wir sie nicht. Ein kollektiver Raum entsteht, in dem nicht nur die Arbeitsbedingungen zur Debatte stehen, sondern auch die Ambivalenzen in der eigenen Haltung gegenüber dem Ausbeutungsverhältnis. Eine Pfleger_in erzählt von ihrer Scham, sich dermaßen ausbeuten zu lassen. Eine andere erklärt den Zusammenhang der komplexen Profitkette, die von den österreichischen und slowakischen Regierungen über die Agenturen, Organisationen und Kund_innen bis zu ihnen selbst als Scheinselbstständige reicht: „Es wird niemand etwas dagegen tun, weil es allen passt.“
Die Kamera von Daniel Dlouhy zeigt verschiedene Landschaften, Tageszeiten, Wetterlagen durch die Scheiben des Kleinbusses. Die Rück- und Seitenspiegel oder auch andere Teile vom Bus am Rand der Kadrage fungieren als Repoussoir-Figuren[1] für uns, hier, am österreichischen Schreibtisch. Oft in der Unschärfe bleibend, verweisen sie auf uns, unsere Eltern, Großeltern. Auf meinen 90-jährigen Onkel Hans zum Beispiel, der mit zwei 24-Stunden-Pflegerinnen aus Bulgarien lebt. Mit Benka und Ratka, die sich abwechselnd in seinem Haus in der Steiermark um ihn kümmern. CareNomad_innen, wie Katarina Csanyiova sie nennt.
Widergabe
CareNomad_innen, so heißt auch ihre Videoarbeit im Entstehen, wird drei Teile haben. Der erste Teil ist „ganz plain“, sagt Katarina Csanyiova. Dokumentarisch, die Frauen, die Fahrten und Kilometer. Dazwischen Reflexionen der Arbeit. In Teil zwei verfremdet die Künstlerin das Material durch die eigene Stimme, kanalisiert es durch den eigenen Körper. Sie spricht die CareNomad_innen. Ihre Aussagen. Wiedergabe, also Dokumentiertes, wird hier zur Widergabe, wie Katarina Csanyiova bereits eine frühere Arbeit betitelt hat. Sie löst Gesagtes aus dem Kontext, in dem es ursprünglich artikuliert wurde, heraus und legt es dann dritten Personen „ans Herz“ oder „ins Ohr“. In der aktuellen Reproduktion oder Aufführung erscheinen den ursprünglich handelnden Personen ihre Worte in einem neuen Licht. Das Unbequeme im Gesagten verschafft sich Gehör, der Einspruch im Widerspruch – als Hoffnung.[2]
Im dritten Teil setzt Katarina Csanyiova Zahlen und Fakten ins Bild. Klauseln und Geldstrafen, sollten die Pfleger_innen dieses oder jenes nicht erfüllen. Mit Schrift, Spiegelschrift, arbeitet die Künstlerin schon lange. Eine Art Notation, um Gedanken zu ordnen und Spuren zu hinterlassen. Nach der Durchsicht sagt der Anwalt zur Pfleger_in: „Den Arbeitsvertrag kannst du als Toilettenpapier benutzen!“ Widergegeben wird der Satz zur Drohung: Zurück zum Absender. Etwas Unscharfes baumelt am Rückspiegel, ein Glücksbringer vermutlich.
Jo Schmeiser
[1] Personen oder auch Gegenstände am Rand einer bildlichen Darstellung werden als „Repoussoir-Figuren“ bezeichnet. Sie dienen dazu, den Blick der Betrachtenden in die Tiefe des Bildes zu ziehen.
[2] Siehe dazu die Schriften von Rúbia Salgado.
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Video-Performances:
"Does ist work?" (2011) Bröllin / Artist in Residence, Klasse für Performative Kunst,
Akademie der bildenden Künste Wien
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"Slavin" (2010) Bratislava / Slowakische Hymne (umgedichtet) singen, bis die Stimme aussetzt
Ausstellungsansicht- Rakúske kultúrne fórum/ Österreichisches Kulturforum Bratislava, Slowakei (2011)
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Kooperationsprojekte:
MS VALENTINA, Dokumentarfilm (80 Min.) Regie: Melanie Hollaus
12.05.19 Beldocs International Documentary Film Festival, Belgrad (Program in Kürze verfügbar) https://beldocs.rs
29.05.19 Internationals Film Festival Innsbruck/ competition (Programm ab Mai verfügbar) http://iffi.at
Trailer hier
Regie: Melanie Hollaus
Kamera: Christoph Lammerhuber
Idee: Tina Mott, Melanie Hollaus
Sprecherin: Katarina Csanyiova
Sound Design, Kinomischung: Sergey Martynyuk
Trompete: Stefan Prager
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Apropos of Logic (2016)
nach dem 1977 verfassten Manifest von Franz Kaltenbeck
FrauenFilmtage, Frauenfußball WM 2018 (WUK)
1. Preis Filmfestival now&after 2018 Moskau Russland
LESS POINT MORE CORNERSTONE (2014)
von Suzie Leger, kc performance
HERNALSER - der stein denkt mordet liebt (2011-2014)
künstlerische-filmische Dokumentation einer Wiener Baustelle
Konzept/Regie melanie hollaus
buchhandlung HAYMON (2012)
Regie: Melanie Hollaus
entsprechend (2012) | kc und lisbeth kovacic
video-skizze in arbeit